Glosse

GEFÄHRLICHE CLOWNS oder DER NEUE KALTE KRIEG oder DAS REAGAN KINO (entstanden ca. 1982)

„Sie sind alle Gummibären“, raunzt der flotte Soldat John, als die Übertölpelungsaktion gelungen ist und die Kameraden samt der neue amerikanischen Geheimwaffe (“EM 50 Projekt“) aus der Tschechoslowakei heil herausgeholt sind. Wen er damit meint, wird angesichts der beide etwas dümmlich, um es vorsichtig zu formulieren, auftretenden östlichen Grenzer sofort klar. “Die Ehre der US-Armee ist wieder hergestellt“, bemerkt stolz dazu der Pressetext des Verleihs.

ICH GLAUB‘ MICH KNUTSCHT EIN ELCH!“, Originaltitel: “Stripes“, hieß im vorigen Jahr bei uns ein amerikanisches Filmchen von Ivan Reitman, mit dem der neue Trend im hollywoodschen Kino eingeläutet wurde: die Russen sind wieder wer – als Feind Nr.1! Unter dem Vorwand, doch nur eine Komödie oder sonst wie ein Phantasieprodukt zeigen zu wollen, werden die zu besten Zeiten des Kalten Krieges “die Kommunisten“ als hilflos stotternde, technisch unbegabte und menschlich unsympathische und gemeingefährliche und bedrohliche Figuren vorgeführt. Die es zu überlisten oder, wenn es gar nicht anders mehr geht, zu vernichten gilt, “Taten statt Worte“, heißt es dazu im allerneuesten Machwerk aus diesem Bereich, in „Megaforce“. Zugleich aber sind die “Taten“ Anlass genug, die eigenen supermodernen und völlig überlegenen Waffen vorzuführen. Der Betrachter soll sich also beruhigt in seinen Kinosessel zurücklehnen können, „die da oben“ sorgen schon für seinen Schutz und seine Ruhe.

Einer von ihnen wird als “DER SÖLDNER“ bezeichnet, und er gehorcht nur einem Herrn und Gebieter: dem Chef der allesumfassenden CIA. Als der einem blutigem Attentat zum Opfer fällt, steht der Supermann (fast) alleine da. Kann sich niemandem offenbaren, nicht einmal dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Obwohl der doch eigentlich eingeschaltet werde müsste, schließlich haben die Russen doch die Lunte mit dem Dynamit an den wichtigen arabischen Ölfeldern platziert. Das ganze schöne westliche Schicksal ist jetzt von einem einzigen Kerl und ein paar seiner Getreuen abhängig, welch ein (Kino-)Schicksal. Aber unser Mann schafft es. Natürlich. Mit listigem und kraftvollem Einsatz, unter anderem muss er sogar mit seinem Sportcabrio über die Berliner Mauer hüpfen, rettet er die Welt vor dem kommunistischem Abgrund. Die drüben sind zwar mächtig sauer, müssen aber nachgeben. Doch sicherlich dauert es nicht lange, wieder einen neuen Einsatz für unseren Mini-007 gibt. “Der Söldner“ ist gewiss ein primitiver Film, in sämtlichen Belangen, aber seine Ideologie, die er transportiert, ist keineswegs so dürftig wie seine Machart.

“Ich glaube, es ist wichtig, dass den Europäern bewusst wird, dass wir Amerikaner manche Dinge völlig anders sehen. Insofern hat der Film sicher politische Aspekte, keine Frage, obwohl ich kein politisches Statement im eigentlichen Sinn machen wollte. Was ich machen wollte, ist ‚Faction‘, ‚Facts‘, also Tatsachen, mit ‚Fiction‘ also Erfindung, gemischt. „Es ist ein Dokumentarfilm, der nicht real ist, aber real sein könnte“, äußerte sich denn auch kürzlich Regisseur James Glickenhaus in der ORF/ZDF-Sendung “Apropos Film“ (aus der im Übrigen alle weiteren Zitate, die hier verwendet wurden stammen).

Hal Needham war einst das Stuntmen-As in der großen Hollywood-Arena. Erst doubelte er Burt Reynolds, dann wurde er dessen Regisseur (“Ein ausgekochtes Schlitzohr“, „Um Kopf und Kragen“). Im vorigen Jahr wurde Needham mit dem Klamauk “Auf dem Highway ist die Hölle los“ auch in der Bundesrepublik und Österreich populär. Mit seiner neuesten Arbeit “MEGAFORCE“ führt der heute 51jährlge Krieg als reines Knöpfedrücken-Spiel vor, bei dem Menschen sichtbar nicht zu Schaden kommen. “In dem ganzen Film werden Sie kein einziges Mal sehen, wie jemand getötet wird. Die Bösen sitzen in den Panzern drin, und deshalb erfährt man nicht, was mit ihnen geschieht, wenn die Tanks getroffen werden. Es gibt unheimlich viel Action, aber gibt keine abgeschnittenen Köpfe, keine heraushängenden Gedärme Blutvergießen. Man sieht nur viel Schießen, Raketen, explodierende Panzer. „Das ist der Trick“, erklärt Needham. Wie in “Der Söldner“ wird auch hier eine in viel Action verpackte typische neue-alte US-Kino-Ideologie verbreitet, die im Übrigen sicherlich auch ausserhalb des Kinos von vielen Reagan-Wählern nicht ungern gesehen wird.

“Megaforce“ zeigt die aktive Bedrohung arabischer Ölfelder durch offensichtlich kommunistisch orientierte Kampfeinheiten und schwelgt dann im Gegenschlag der fiktiven amerikanischen Spezialtruppe, die dem Film den Titel gibt. Die “Megaforce“-Truppe sind auserlesene Gestalten, sie ist höchst technisiert, die Gegenspieler und ihre Ausrüstung dagegen karikiert Needham bis hin zur Lächerlichkeit. Held ist ein blonder Siegfried, der – wie eine billige Comicfigur-Imitation – nicht einmal in der Lage ist, normal zu gehen. Aber um Menschen geht es schon lange nicht mehr in Filmen wie diesen, Strahlemänner wie er sind nur noch Pappfiguren, die nichts anderes zu tun haben, als zur rechten Zeit die richtigen Knöpfe zu bedienen (ganz wie beim Kriegsspielzeug im Kino-Foyer).

Regisseur Needham weiter: “Der Film spielt jetzt. Die Waffen, die wir zeigen, sind leicht futuristisch, etwa zehn Jahre voraus. Die US-Regierung hat ein Team von Armeeangehörigen zu den Dreharbeiten entsandt, weil sie sehen wollten, was wir da entwickelt haben. Das sind Sachen, die sie selbst zu bauen versuchen. Was wir für den Film nicht zu berücksichtigen brauchten, war der Munitionstransport, das Gewicht der Munition, aber ansonsten sind die Einrichtungen, die wir in „Megaforce“ zeigen, die, die die US-Armee entwickeln und in Zukunft haben will“. Verständlich, dass Eingeweihte immer mehr von Verbindungen zwischen der Filmindustrie einerseits und der kapitalkräftigen Rüstungabranche andererseits wissen wollen.

Wie sehr in solchen Zeiten ein Mann wie Hal Needham gefragt ist, wird deutlich, nimmt man seine politischen Ansichten zur Kenntnis, Original-Interview-Ton aus Peter Hajeks und Helmuth Dimkos “Apropos Film“: „lch glaube, dass die Welt reif für einen Sieg ist. Es wurde auf uns herumgetrampelt, es wurde genug herum geredet, unsere Rechte wurden zu oft verletzt – ich meine, ich rede natürlich von Amerika. Was den Vereinigten Staaten im Iran passierte, ist abscheulich. Ich meine, dass es wahnsinnig ist, dass die Vereinigten Staaten es zugelassen haben, dass die Iraner die Geiseln so lange halten konnten. Ich glaube, dass wir so etwas brauchen, wie ich es in meinem Film zeige. Eine schlagkräftige Kampfeinheit, die von allen freien Ländern der Welt mit Männern und Waffen versorgt wird, und die eingreift, wann und wo immer die Demokratie gefährdet ist – ohne politische Diskussionen. Und die Leute aus dem Film kommen und sagen, das brauchen wir. Wir brauchen diese Männer, die hingehen und etwas tun.

Lassen Sie mich noch einmal auf die Sache im Iran zurückkommen. Wenn ich Präsident gewesen wäre, hätte ich einen B-52 Bomber mit einer ganz großen Bombe losgeschickt und zwei F 116 und ungefähr 16 Hubschrauber. Ich hätte denen gesagt, dass sie zwanzig Minuten Zeit haben, unsere Leute abholbereit aufzustellen. Wenn sie darauf nicht reagiert hätten, hätte ich alle ihre Ölfelder bombardiert, damit sie sehen können, was man sich um Sand kaufen kann. Dann hätte ich ihnen weitere zwanzig Minuten gegeben, um unsere Leute rauszurücken. Wenn das auch nichts genutzt hätte, hätte ich die ganze verdammte Stadt in die Luft gejagt, samt unseren Leuten. Ich sage das,
auch wenn das ein paar Amerikaner nicht gerne hören. Und ich sage, ich hätte diese Stadt samt unseren Leuten in die Luft gejagt, auch weil meine eigene Mutter unter den Leuten gewesen wäre. Man muss seinen Standpunkt klar machen. Und ich sage ihnen, nach meinem System hätte ich die Leute herausbekommen“.

Nachdem ein mittelmäßiger Schauspieler Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika geworden ist – wer sagt uns eigentlich, dass es nicht eines schönen Tages auch ein mittelmäßiger Regisseur wird?

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