GEFÜHLT MITTE ZWANZIG

PÖNIs: (3,5/5)

„GEFÜHLT MITTE ZWANZIG“ von Noah Baumbach (B; Co-Pr. + R; USA 2013; K: Sam Levy; M: James Murphy; 98 Minuten; deutscher Kino-Start: 30.07.2015); natürlich kennen wir das: forever young. Ewig jung bleiben. Wollen. Zumal uns ja alltäglich die – zum Beispiel TV-Serien-Medien – junge, gepflegte, dynamische, attraktive „Pisser“ vorgaukeln. Vorwiegend gut frisierte weibliche, natürlich. Aber nicht nur das, mit dem „Jung-Sein“ wird täglich so viel Kohle gemacht, dass wir gar nicht an dieser „Masche“ vorbeikönnen. Vorbeikommen. Und dann ist es doch mal soweit. Der Arzt verkündet Arthrose. AR … was, bitte? Wieso denn? Fühle mich doch gut, stark, proper, gesund. Mitten drin. Und nicht daneben. Und dennoch erste Anzeichen von Arthrose? Schauen Sie doch mal auf Ihre Geburtsurkunde, verkündet der gnadenlose Mediziner. Und hat natürlich Recht. Irgendwann ist jung vorbei. Dann beginnt das Mittel-Alter. Oder auch lustiger: der Anfang vom „Rest“. Wie immer man das anrückende Greisen-Chaos auch bezeichnen mag.

Josh (BEN STILLER) ist solch ein Lausbub. Jenseits der 40. Hat mal einen erfolgreichen Dokumentarfilm geschaffen und bastelt seit Jahren, neben seiner Dozenten-Tätigkeit, an einem neuen. Josh passiert genau das … mit dem Arzt. Also dieser plötzliche Arthrose-Schock. Die erste Alters-Diagnose. Dazu beginnen bei Josh auch, die Augen „zu schwächeln“. Dabei hält er sich doch für keineswegs alt. Oder gar älter. Ebenso wie seine Ehefrau Cornelia (NAOMI WATTS). Man lebt komfortabel im teuren New York, was die Vermutung zulässt, dass der Schwiegervater von Josh, der berühmte Dokumentarfilmer Leslie Breitbart (CHARLES GRODIN), die Beiden diskret unterstützt. Aber egal, schon ein paar Sätze zwischen Josh & Cornelia lassen ihre netten Alterslügen charmant erkennen, und wir befinden uns im Midlife-Thema: „Ich mag unser Leben, wie es ist“. „Ja, wir könnten morgen nach Paris fliegen, wenn wir wollten“. „Genau. So kurzfristig hätten wir zwar Schwierigkeiten, einen erschwinglichen Flug zu finden, aber ja“. „Ich weiß. Ich könnte auch nicht einfach so von der Arbeit weg“. „Wir sollten für die Reiseplanung vielleicht einen Monat einplanen“. „Ein Monat zählt immer noch als spontan“.

Immer noch über die Möglichkeit zu verfügen, ein „junges, hippes“ Leben führen zu können. Und kinderloses. DAS ist es. Bestätigt in ihren Jugend-Neurosen wird das Paar, als es auf ein zwanzig Jahre jüngeres Pärchen stößt. Jamie (ADAM DRIVER) und Darby (AMANDA SEYFRIED). Meine Güte, sind DIE vielleicht gut drauf. Und wie sie flippen … und machen … und nimmer müde werden … und Pläne schmieden … und nicht spätestens um 23:00 Uhr abends ins Bett müssen … und über eine angesagte Plattensammlung verfügen … und eine Schreibmaschine … und überhaupt, keine Arthrose: Jamie sagt, dass er Josh bewundert. Denn Jamie will auch Dokumentarfilmer werden. „Sie haben so viel Respekt vor uns“, frohlockt jedenfalls Josh. Der sich prompt einen modernen Hut verpasst, während Cornelia sogleich im Sportstudio zünftig (und saukomisch) beim Hip-Hop-Tanzen ackert. In-Sein anstatt Retro. Den süßen Vogel ewige Jugend weiter auskosten.

Natürlich: mit Schiffbruch. Denn „Jugend“ bedeutet auch, pfiffig zu täuschen verstehen und gewissenlos zu tricksen. Wenn die Alten halt so doof sind… Dies gilt es zu erkennen. Zu begreifen. Für die Alters-Rapper Josh & Cornelia. Deren Umgebung, mit Nachwuchs, zum Vorzeigen, sich schon mehr als gewundert hat. Über den albernen Ausstieg ihrer Doch-Ihresgleichen.

Ein amüsant-bitterer Film. Über die sanft-herben Identifikations-Gefechte im Leben. Gedanklich wie emotional. Was soll wie „perfekt“ SEIN? Wann ist welche Haltung richtig, wann vielleicht lächerlich? Die „Süddeutschen Zeitung“ titelt auf der Seite „Gesellschaft, Familie und Partnerschaft“ (am letzten Wochenende/25./26.07.) witzig: „Der Film verhandelt ein Alter, in dem man Kinder bekommen und doch cool und jung bleiben soll. Ein Horrorfilm also“.

BEN STILLER, 49, und NAOMI WATTS, 46, spielen Bekannte. Und bekanntes. Er mitunter zu unbedarft, also bekloppt, sie mit besseren Nuancen. In der reservierteren „Umwandlung“. Autor und Regisseur Noah Baumbach zählt zu den Regie-Perlen in den Staaten, wird als ein Woody Allen-Enkel gehandelt und war zuletzt, vor zwei Jahren, mit seiner filmischen Ironie-Erfrischung „Frances Ha“ (s. Kino-KRITIK) mit der wunderbaren „neurotischen“ Entdeckung Greta Gerwig in bestem Kino-Schwung. Hier ist er nur ein wenig weniger pointiert. Was vielleicht an den beiden Hollywood-Rampen-Stars liegt. Deren Reiz in einem 10 Millionen Dollar „billigen“ Independent-Drama von Noah Baumbach – im Vergleich zu seinen bisherigen „frischen“ Akteuren – eher begrenzt erscheint (= 3 ½ PÖNIs).

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