Gastkritik „Forever and a day“

Gastkritik von Hans-Jürgen „Tatze“ Günther

FOREVER AND A DAY“ von Katja von Garnier (D 2011-2014; K: Michael Dreyer, Kai Fink, Anton Klima, Thomas Koppehele, R. Bauer; zusätzliche K: Markus Goller, Katja von Garnier; 100 Minuten; Start D: 26.03.2015).

50 Jahre Scorpions mit über 100 Millionen verkaufter Platten; mit „Winds Of Change“ ein Song, der in 78 Ländern in den Charts war; 1983 ein Konzert in San Bernadino Valley vor 325.000 Fans – große Ereignisse, die kein Zufall sind. Die lange Karriere des erfolgreichsten deutschen Rock-Exports ist zweifelsfrei einen Film wert, der angesichts der Materialfülle mit 100 Minuten
– die wie im Flug vergehen – eher noch zu kurz ausgefallen ist.

Aufhänger von FOREVER AND A DAY ist die 2010 gestartete Farewell-Tour, die aber kein Schlussstrich ist, weil es eine Rockband, die überall spielt, „wo eine Steckdose ist“ und Klaus Meine solange singt, „wie er bei Stimme ist“, nicht ins Altersheim zieht. Die Tournee-Bilder werden aufgelockert durch
zeitlich etwas ungeordnete Impressionen aus der gesamten Karriere, von den Anfangstagen und ersten kuriosen Auftritten bis zu Triumpfen zwischen Kalifornien und Moskau. Zu Worte kommen Weggenossen wie Manager Peter Amend, Produzent Dieter Dierks und Journalisten wie Frank Laufenberg. Vor allem aber geben Klaus Meine, Rudolf Schenker und Matthias Jabs selbst
ausführliche Auskünfte übers Komponieren und Einspielen perfekter Songs; über die Probleme, wenn im Konzert Meines Stimme versagt; über die Gefühlslage am vermeintlichen Karriereende. Dabei werden hinter der Rockstar-Fassade wohltuend normale, außerordentlich sympathische Mitmenschen sichtbar. Leider fallen die Redebeiträge von James Kottak und Pawel Maciwoda und Herman Rarebell viel spärlicher aus. Ohne tieferen Sinn bleiben die knappen Statements von Musikerkollegen wie Paul Stanley und Don Dokken sowie Prominenten wie Michail Gorbatschow, Wladimir Klitschko und Gottfried Helnwein. Etwas schade ist auch, dass die tsunamiartige Flut von packenden Eindrücken der musikalisch mitreißenden und auch artistisch eindrucksvollen Auftritte keine Atempausen bietet.

Zwei oder drei wunderbare Songs in voller Konzertlänge genießen zu können, wäre nicht falsch gewesen! Trotz dieser etwas kleineren Einwände ist FOREVER AND A DAY ein insgesamt gelungener Musikfilm über eine Weltklasse-Rockband, von denen wir in Deutschland leider und noch immer viel zu wenige haben. Regisseurin Katja von Garnier und ihrem Stab gebührt daher nicht zu knappes Lob und viel Anerkennung.

(= 3,5 PÖNIs)

Hans-Jürgen Günther (Gastkritiker)

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