Etienne Chatiliez

RIAS 2 – Special „Film aktuell“ : Hans-Ulrich Pönack im Interview mit dem französischen Regisseur Étienne Chatiliez 1988

Seit voriger Woche läuft auch bei uns mit großem Erfolg der Debütfilm von Étienne Chatiliez im Kino: „DAS LEBEN IST EIN LANGER RUHIGER FLUSS“ (s. auch KINO-Kritik).

Etienne Chatiliez ist Jahrgang 1952, hat das philosophische Abitur und war lange Jahre in der Werbebranche als Konzepteur und Filmemacher tätig.

Monsieur Chatiliez, wie wurde aus dem Werbefilmregisseur ein Spielfilmregisseur?

Ich bin in erster Linie durch die Hilfe von Bekannten auf die Idee gekommen. Mein Produzent aus der Werbebranche hat mir geraten, doch mal einen “richtigen“ Film zu machen. Zufällig habe ich die Drehbuchautorin Florence Quentin kennengelernt, und wir sind irgendwo in einen kleinen Ort in den Süden gefahren und haben gemeinsam das Drehbuch erarbeitet.

Was hat Sie besonders an dieser neuen Arbeit gereizt?

Der Ausgangspunkt war der, dass viele Leute über meine kleinen Werbefilme sehr gelacht haben. Also habe ich mir gesagt, gut, wenn das so ist, dann möchte ich die Leute ein bisschen länger zum Lachen bringen als nur immer 25 oder 30 Sekunden. Außerdem sollten sie mal über etwas anderes lachen als nur immer über den Inhalt von Werbefilmen. Die Schwierigkeiten lagen dagegen woanders. Meine Ideen, mein Film, entsprach überhaupt nicht dem Standard, der gerade in Frankreich gefragt war. Verleiher wie Produzenten waren ziemlich skeptisch. „Das interessiert doch nimmer das Publikum“, war die fast einhellige Meinung. Und hier Überzeugungsarbeit zu leisten, war beinahe schwerer als die technischen Probleme, zum ersten Mal einen langen Spielfilm zu machen.

Besitzt „Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss“ autobiographische Momente oder ist das eine ganz fiktive Geschichte?

Der Film besitzt schon sehr persönliche Züge. Aber denken Sie jetzt bitte nicht, ich sei auch als Kind einmal “vertauscht“ worden. Ich habe zwei solche Familien gekannt wie sie eben gegensätzlicher nicht sein können. Die eine waren gute Katholiken, sehr engstirnig. Die andere Familie war das genaue Gegenteil. Leicht rassistisch, kriminell und vor allem arbeitsscheu. Also fanden wir es amüsant, was wäre, wenn man hier einmal Schicksal spielen und Kinder gegenseitig austauschen würde…

Ihr Film hat für mich z.B. etwas mit Chabrol zu tun, seinen Gesellschafts-Attacken, die kleinen und großen Blicke auf die Verhaltensweisen von Bürgern, der Bourgeoisie. Haben Sie diesbezüglich Vorbilder?

Niemand einzeln. Ich mag Woody Allen, Blake Edwards oder Andre Tarkowskij. Also Leute der unterschiedlichsten Art, mit den unterschiedlichsten Charakteren, die jeder auf ihre Weise für mich einen persönlichen Reiz haben.

Bis auf Daniel Gélin kennen wir die Schauspieler kaum. Wonach haben Sie gesucht und besetzt?

Es war eigentlich alles Zufall. Denn die Schauspieler, die ich mir ausgesucht hatte, waren entweder zu alt oder lebten nicht mehr. Über einen Kollegen habe ich dann Theater-Schauspieler kennengelernt und mit denen wollte ich dann zusammenarbeiten. Ich wollte ihnen einmal eine Chance im Film geben, aber ich hatte auch als Anfänger keine Lust, mit Stars zu arbeiten, die mir dabei womöglich das Leben schwermachen.

Daniel Gélin war super. Er fragte mich, warum ich ihn ausgewählt und wie er denn die Rolle des Arztes spielen soll. Ich sagte nur: “Ich dachte an Pierre Brasseur!“ Daniel lachte und sagte: “Kein Problem. Das war mein bester Freund, da brauchen wir gar nicht zu diskutieren.“ Er war ausgesprochen kooperativ, hat sich weder als Star gefühlt noch so aufgeführt. Wir hatten mit ihm und er hatte mit uns viel Spaß.

Étienne Chatiliez – was werden Sie als nächstes machen? Werden Sie dem komischen Genre treu bleiben?

Die meisten Regisseure neigen dazu, gleich nach einer Komödie ein Drama zu machen. Sie glauben wohl, die Leute nach dem Lachen nun zum Weinen bringen zu müssen. Aber ich denke, wenn man das Talent hat, die Leute zum Lachen zu bringen, sollte man diesem Talent auch treu bleiben. Mein Ziel ist es letztlich, in einem Film beides zu vereinen. Lachen und Weinen.

Chaplin?

Thank You.

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