DUSTIN HOFFMAN

Dustin Hoffman – der Star mit den unzähligen Gesichtern

Er gilt als der beste Schauspieler Amerikas – Dustin Hoffman. Trotzdem wehrt der Star sich dagegen, zum Mythos, zur Legende oder einem Idol stilisiert zu werden. Seine Fans sind besonderer Art, sie himmeln ihn nicht an, sie bewundern sein Talent, seine Intelligenz, seine kompromisslose Lebenseinstellung als Mensch wie als Künstler. Inmitten der gigantischen Traumfabrik Hollywoods, dem nächtlichen Glamour des Broadway gibt es für Dustin Hoffman nur eine Maxime: seine Rolle – im Film oder auf der Bühne – völlig in sich aufzunehmen, bis er selbst kaum noch existiert. Er wird zu dem, was er spielt: dem lungenkranken, kleinen Gauner Rizzo (“Asphalt Cowboy“) – dem illusionsbesessenen 60jährigen erfolglosen Vertreter (“Tod eines Handlungsreisenden“) – dem autistischen Einzelgänger, der nur für Momente die Welt des Wahns verlässt (“Rain Man“). Für “Rain Man“ wurde Hoffman auf der Berlinale mit dem „Goldenen Bären“ ausgezeichnet und in Amerika mit dem „Oscar“.

Seine Gagen erreichen astronomische Höhen, doch er ist mehr als ein Star. Wer ihn auf dem Bildschirm, der Leinwand oder im Theater sieht, wird mit der dunklen Seite des Lebens konfrontiert. Die Kassenerfolge seiner Filme widerlegen die goldene Regel Hollywoods, dass allein Held oder Heldin sich bezahlt machen. Mit Dustin Hoffman entstand ein neues Genre in der Geschichte des Kinos: die Story des Anti-Helden aus dem sozialen Abseits, kaputt, einsam, innerlich zerstört. Allein “Die Unbestechlichen“ bilden eine Ausnahme, hier wird der Schauspieler zum Kämpfenden, sonst spielt er meist die Rolle des Opfers. Millionen fasziniert seine Wandlungsfähigkeit, die zwischen Film und Realität kaum einen Zentimeter Zwischenraum lässt, eine fast magische Spannung erzeugt.

Dustin Lee Hoffman wurde am 8. August 1937 in Los Angeles geboren. Als Kind war “Dusty“ im Gegensatz zu seinem großen sportlichen Bruder zu klein geraten, dünn, trug eine Zahnklammer und hatte sich damit abgefunden, dass er zeitlebens Akne haben würde (was er nicht hat). Jeder übersah ihn. Er fand nur zwei Möglichkeiten mit Menschen zu kommunizieren: Humor und Mimik. Als die Kinder in der Schule ihm nachriefen, er würde wie ein “Rattengesicht“ aussehen, schaffte es Dusty, die Beleidigung zum Joke umzudrehen. Er war bestimmt um seine Kindheit nicht zu beneiden. Lisa, seine zweite Frau, von der er behauptet, “sie käme direkt aus dem Himmel“, sagt: “Ich glaube, Glück, dass länger als drei Tage dauert, macht Dustin noch immer Angst.“ Seine Kindheit muss ihn länger bedrückt haben, als die Umwelt ahnte. Der Mechanismus Schauspieler als Kommunikation und Kompensation dauerte so lange, bis er die um vieles jüngere Lisa traf. Über die Beziehung zu ihr sagt er: “Es ist das erste Mal, dass ich mich lebendig fühle, auch wenn ich nicht filme oder auf der Bühne stehe.“

Ursprünglich wollte Hoffman Konzertpianist werden. Er entschied sich aber bald für ein Schauspielstudium. Nachdem er am Pasadena Playhouse einen zweijährigen Kurs beendet hatte, ging er 1958 nach New York. Die nächsten Jahre wurden hart. Um sein Studium an dem berühmten Lee Strasberg Actor‘s Studio finanzieren zu können, arbeitete er als Tellerwäscher, in der Spielwarenabteilung bei Macy‘s, als Kellner, Garderobier, Pfleger in einer psychiatrischen Anstalt und gab Schauspielunterricht in einem Jugendclub in Harlem.

Sein Bühnendebüt hatte Hoffman mit 22 am Sarah Lawrence College in New York mit Gertrude Steins Theaterstück “Yes Is For a Very Young Man“, seinen ersten Auftritt am Broadway 1961 in dem Stück “A Cook for Mr. General“. Für eine Spielzeit gehörte er zum Ensemble der Theatre Company in Boston. Wieder zurück in New York wurde er Regieassistent von Ulu Grosbard bei dessen Inszenierung von Arthur Millers “Ein Blick von der Brücke“.
Einen großen darstellerischen Erfolg hatte Dustin Hoffman als der bucklige Homosexuelle Immanuel in Ronald Ribmans schwarzer Komödie “Harry, Noon and Night“ am American Place Theatre. Ein Engagement folgte dem nächsten. Für die Hauptrolle in Henry Livings Farce “Eh?“ bekam er den Theatre World Award und den Drama Desk Award. Regisseur Mike Nichols sah Hoffman in “Eh?“ und gab ihm 1967 die Hauptrolle in seinem Film „Die Reifeprüfung“ “ (s. auch Kritik). Über Nacht wurde er damit zum populären Star und bekam seine erste Oscar-Nominierung. Die zweite folgte gleich für den nächsten Film: John Schlesingers „Asphalt-Cowboy“ .

“Asphalt Cowboy“ ist die Geschichte einer seltsamen Freundschaft. Der Texaner und Tellerwäscher Joe Buck (Jon Voight) flieht vor dem täglichen Trott und der deprimierenden Einöde. Das Ziel seiner Träume ist New York. Ganz wie ein Cowboy des wilden Westens aufgemacht, will er dort seinen Körper gegen harte Dollars verkaufen. Voller Naivität streift der blonde Möchte-gern-Held durch die Straßen. Niemand beachtet ihn, sein Geld ist bald weg, seine Illusionen auch. Das Monstrum New York frisst seine Kinder. Joe lungert frierend und hungernd an den Ecken der großen Avenues. So trifft er den todkranken kleinen Gauner Rizzo (Dustin Hoffman), der ihn in seinem miesen Unterschlupf aufnimmt. Ein neuer Traum wird gegen den alten eingetauscht. Rizzo schwärmt ihm von einem paradiesischen Florida vor, klammert sich an den Gedanken, dort gesund zu werden. Joe spürt, wie krank Rizzo ist. Um an Geld zu kommen, raubt er einen Mann aus. Der Traum scheint sich zu erfüllen: raus aus dem Elend, den dreckigen Hinterhöfen, Hunger, Armut und Verzweiflung. Rizzo stirbt im Bus kurz vor Miami in den Armen seines Freundes. Für diese beiden gab es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten keine einzige.

Zu den bekanntesten Filmen zwischen 1969 und 1982 gehören u.a.: „Little Big Man“ (Regie: Arther Penn), „Papillon“ (Regie: Franklin Schaffner), „Lenny“ (Regie: Bob Fosse), „Marathon Mann“ (Regie: John Schlesinger), „Kramer gegen Kramer“ (Regie: Robert Benton), „Tootsie“ (Regie: Sydney Pollack) und Alan J. Pakulas „Die Unbestechlichen“ .

“Die Unbestechlichen“ handelt von der Watergate Affäre, dem Einbruch einiger Gentleman-Ganoven ins Hauptquartier der Demokratischen Partei, einem politischen Skandal, der von zwei bis dahin völlig unbekannten Reportern der “Washington Post“ aufgedeckt wurde und am 9. August 1974 zum Sturz Präsident Nixons führte. Robert Redford spielt den Journalisten Bob Woodward und Dustin Hoffman seinen Kollegen Carl Bernstein. Die Kamera ist allein auf die zwei Journalisten gerichtet, ihre minutiösen, enervierenden Recherchen, unergiebigen Interviews, Zeitdruck, Zweifel, Angst der Informanten, Einschüchterungsversuche, Drohungen. Euphorie und Resignation lösen einander immer wieder ab bis zum Eklat.

250mal war Dustin Hoffman – Amerikas Little Big Man – in der Theater-Version von Arthur Millers “Tod eines Handlungsreisenden“ in New York, Chicago und Washington aufgetreten. Der Broadway-Hit sollte fürs Fernsehen aufgezeichnet werden. Dustin suchte nach einem Regisseur, seine Wahl fiel auf Volker Schlöndorff. „Tod eines Handlungsreisenden“, das erkannte der deutsche Regisseur sofort, war und ist ein Schlüsselwerk des Theaters in den USA. Es zeigt die Kehrseite des amerikanischen Traums. Aus der Fernsehaufzeichnung wurde ein Kinofilm. Das legendäre Drama erzählt von dem Vertreter Willie Loman, der vor dem Misserfolg sich in Illusionen von Reichtum und Beliebtheit flüchtet. Er überträgt seine trügerischen Träume auf seine Söhne. Programmiert durch die Last der väterlichen Hoffnungen versagen beide in seinen Augen. Seine Lebensversicherung scheint ihm die letzte Möglichkeit. Er bringt sich um. Am Ende von Millers Stück beim Begräbnis sagt Willie Lomans einziger Freund: „Ein Handlungsreisender ist ein Mann, der mit seinem Lächeln reist und mit seinen Bügelfalten. Und wenn sein Lächeln nicht mehr erwidert wird, stürzt eine Welt ein.“ Hoffman verkörpert die Rolle des 60jährigen mit fast beängstigender Bravour.
Es war eines der wenigen Male, dass Dustin etwas Persönliches über die Verbindung zwischen sich und seinen Film sagte: “Loman erinnert mich an meinen Vater. Ein Mann, der sich mit Reden am Leben erhält, mit Worten seine Familie regiert und mit Worten sich und die Familie zerstört.“ Dreimal entkam Hoffman knapp dem Tod. Er sagt nicht, ob er ihn fürchtet, nur, dass er sterben möchte, wie der Schauspieler David Burns. Burns erlag während seiner Aufführung einem Herzinfarkt. Da der Schauspieler berühmt war für unerwartete komische Gags, lachte das Publikum. “Der perfekte Abgang für ein Leben“, sagt Dustin Hoffman.

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