Dixie Chicks: Shut Up and Sing Kritik

THE DIXIE CHICKS: SHUT UP & SING“ von Barbara Kopple (USA 2006; 93 Minuten; Start D: 09.08.2007); ist ein neuer amerikanischer Dokumentarfilm. Sie ist zweifache „Oscar“-Preisträgerin (für ihre Arbeitskampf-Dokumentationen „HARLAND COUNTY“/1976/über den längsten Bergarbeiterstreik in den USA/in Kentucky 1973/74 + „AMERICAN DREAM“/1991/über den Streik von Fleischverpackern in Austin/Minnesota 1985/86). An ihrer Seite CECILIA PECK, Produzentin, Schauspielerin + Regisseurin/Tochter von GREGORY PECK.

Geplant war, 2003, zunächst ein Porträt über d i e erfolgreichste Frauen-Band überhaupt: Über die „Dixie Chicks“. Die DIXIE CHICKS, das ist eine US-amerikanische Country-Band, gegründet im Jahr 1989 in Dallas/Texas. Zunächst aus 4 Musikerinnen bestehend, seit Mitte der 90er Jahre auf 3 umgepolt; seitdem sich aus den Schwestern EMILY ROBISON (Gitarre; Dobro + Banjo) und MARTIE MAGUIRE (Geige, Mandoline) und der Lead-Sängerin NATALIE MAINES zusammensetzend. Typisch für die Band ist der Satzgesang der drei Frauen. Ihre Mischung aus Bluegrass und Country-Musik sprach ein breites Spektrum von Country-Fans an; die „Dixie Chicks“ verkauften mehr als 30 Millionen ihrer Alben.

Zum – selbstironischen – Namen: „Dixie“ ist das Synonym für die US-amerikanischen Südstaaten; „Chicks“ heißt wörtlich „Hühner“, ist eine oft abwertend gebrauchte Bezeichnung für junge Frauen. SÜDSTAATEN-HÜHNER. 2003 waren sie, wie gesagt, in den USA „Everybodys Darling“, hatten nur Erfolg, durften sogar beim „Super Bowl“-Endspiel die Nationalhymne singen. Dann kam der 10. März 2003. Es ist der Vorabend vor dem Irak-Krieg der USA. Die „Dixie Chicks“ treten in London auf, wo am Tage eine Massen-Demonstration gegen den bevorstehenden Krieg stattfand. Abends, im ausverkauften Auditorium, lässt sich Sängerin Natalie Maines zu einer politischen Aussage gegen den bevorstehenden Krieg hinreißen. Ihr Abschlusssatz: „Wir schämen uns dafür, dass der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika aus Texas stammt“. Eine beiläufige Bemerkung dieser an sich bis dato eher unpolitischen Gruppierung. Der aber immense Folgen haben soll: Maines Aussage, zunächst nur in britischen Publikationen abgedruckt, wurde von dem vor allem im Medienbereich „gut aufgestellten“ ultrakonservativen Zirkel „Free Republic“ aufgegriffen und instrumentalisiert/verbreitet. Eine Hetzkampagne sondergleichen begann. In deren Verlauf die „Dixie Chicks“ als „unpatriotische Vaterlandsverräter“ und als „Saddams Schlampen“ bezeichnet/gebrandmarkt wurden. Country-Radiostationen boykottierten jetzt ihre Songs, republikanische Ex-Fans ließen bei demagogischen Ritualen ihre CDs von Planierraupen überfahren bzw. zerstören. Das Trio wurde mit Hass- und Drohbriefen überhäuft; Live-Auftritte mussten „Zuhause“ gecancelt werden. Sponsoren zogen sich zurück. Aus den Erfolgs-Ladies wurden, praktisch über Nacht, die BUH-FRAUEN der Nation; jedenfalls für Teile der US-Medien und des Publikums.

Für die beiden Filmemacherinnen war plötzlich ein neues/ein ganz „anderes“ Themenfeld gegeben: Aus der eigentlich geplanten „normalen Dokumentation“ wurde jetzt ein spannendes gesellschaftliches Politikum. Mit der Frage: Zerbrechen die Frauen/Künstler/Musikerinnen DARAN oder geben sie nicht klein-bei; können sie Paroli bieten. Und wenn ja, WIE überhaupt bei dieser plötzlich völlig überhitzten Stimmung/Stimmungslage. Wo sich mittenmal auch der „demokratische Norden“ und sogar Kanada beginnen, sich für „County“ zu interessieren. Im Hinblick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit illustrieren die Kameras fortan ein bedenkliches Szenario – frei nach dem Motto: DU DARFST natürlich ALLES SAGEN, WAS DU DENKST, ABER WEHE DU TUST ES TATSÄCHLICH!

Ein aufregender, ein packender, ein nahegehender, ein aufwühlender, ein zutiefst spannender, ein dabei immer auch Großartig unterhaltender MUSIK-Dokumentarfilm. Auch und gerade für „europäische Augen“: Entstehen doch z.B. interessante Parallelen zum „hiesigen“ Karikaturenstreit des vergangenen Jahres. Denn genau wie die islamischen Hassprediger nur auf irgendeinen Anlass gewartet haben, um gegen die „ungläubigen Europäer“ zu hetzen, hat eben auch „Free Republic“ damals nur auf eine Chance gelauert, um eine Kampagne gegen die Demokraten und Kriegsgegner beginnen und ausfahren zu können. Doch die „Dixie Chicks“ schaffen es tatsächlich, erhobenen Hauptes ihren eigenen Weg weiterzugehen. Trotz vieler Nacken-/Rückschläge keinesfalls aufzugeben. Beruflich wie privat: Sie schaffen es sogar, in der „prägnanten Zeit“, bis 2006, 5 der nunmehr insgesamt 7 Babys in die Welt zu setzen. Und weiterhin zusammenzuhalten. Um dann die befreiende Erfahrung zu machen, sich künftig musikalisch nicht mehr nur in der „County-Box“ bewegen zu müssen, wo sie ja vor allem auf konservative Radiomacher „angewiesen“ sind. Sie ändern ihren Stil und bewegen sich nunmehr zwischen den Stilen, jetzt also auch im Mainstream-Pop. Mit Erfolg: Im Februar 2007 gewinnt ihr Album „Taking The Long Way“ den begehrtesten aller Musik-Preise, den „Oscar“ der Musik/den „GRAMMY“, für „das Album des Jahres“. Ihr Song „Not Ready To Make Nice“ wird zudem als „beste Single“ ausgezeichnet. Die 3 Musikerinnen werteten diese Entscheidung übrigens auch als politisches Statement der Juroren.

Der Film „The Dixie Chicks: Shut Up & Sing“ ist einer der tollsten Dokumentarfilme aller Zeiten!!!!! (= 5 PÖNIs).

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