DIE NILE HILTON AFFÄRE

PÖNIs: (4/5)

„DIE NILE HILTON AFFÄRE“ von Tarik Saleh (B + R; Schweden/D/Dänemark 2016; K: Pierre Aim; M: Krister Linder; 110 Minuten; deutscher Kino-Start: 05.10.2017); wir kennen ihn spätestens seit 2013, den in Schweden lebenden, mit libanesischen Wurzeln versehenen Schauspieler FARES FARES, denn seit damals spielte er dreimal die Rolle des Assad, des Assistenten des Polizeikommissars Carl Morck (= Nikolaj Lie Kaas), in den dänischen Romanverfilmungen „Erbarmen“; „Schändung“; „Erlösung“ (2013/2014/2016) des Schriftstellers Jussi Adler-Olsen. Hier heißt er Noredin und ist ägyptischer Polizeibeamter, der fest „im Apparat“ steckt. Das heißt: Er ist genau so korrupt wie seine Kollegen und Vorgesetzten, verdankt seinen Job seinem Onkel, der als sein Vorgesetzter auch über das gut geschmierte Bestechungssystem wacht; greift gerne zu, wenn ihm während der täglichen Autofahrt „Umschläge“ zugereicht werden. „Gerechtigkeit“ hat hier seinen Preis. Seit dem Autounfalltod seiner Ehefrau ist aus Noredin ein kalter Cop geworden. Der sich mit Alkohol, Zigaretten und Tabletten „ernährt“. Als er eines Tages in das noble Nile-Hilton-Hotel gerufen wird, um den Mord an einer berühmten Sängerin aufzuklären, klaut er erst das Geld der Toten, um dann die Ermittlungen abzubrechen: Anweisung „von oben“. Die Justiz befiehlt: klarer Fall von Selbstmord. Dabei gibt es doch eine Augenzeugin, ein sudanesisches Zimmermädchen. Doch sie ist nicht aufzutreiben. Noredin schnüffelt eifrig allein weiter. Will sich diesmal nicht mit „den Gegebenheiten“ abfinden. Und stößt in ein Wespennest, in dem hochrangiges, mächtiges Elite-Personal mitmischt. Das gewohnt ist, mit Geld alles schnell wie unauffällig regeln, diktieren, zu können.

Kairo im Januar 2011. Eine überfüllte, pulsierende Stadt voller Hektik und Widersprüche. Am Vorabend der ägyptischen Revolution herrscht überall spürbare Unruhe, allgemeine Nervosität. Auf den Straßen dominiert immer mehr Rebellion. In dieser aufgehitzten Atmosphäre einen Mord aufzuklären, bringt den sonst so zynischen Noredin plötzlich in Gewissensnöte. Der eigentlich desillusionierte Bulle entdeckt plötzlich (s)eine Verantwortung. Was ihn dann selbst in Gefahr bringt.

„The Nile Hilton Incident“ gefiel beim diesjährigen renommierten „Sundance Festival“ im Januar und wurde dort mit dem „World Cinema Grand Jury Price“ ausgezeichnet. Der Film beruht auf wahren Begebenheiten: 2008 schockte der Mord an der jungen Sängerin Suzan Tamim in Dubai die gesamte arabische Welt, und als die Spuren zu einem der einflussreichsten Männer Ägyptens führten, sorgte dies für erhebliche örtliche Aufregungen.

Der Autoren-Regisseur TARIK SALEH, 1972 in Stockholm geboren, war einst Schwedens bekanntester Graffiti-Künstler. Sein Wandbild „Fascinate“ von 1989 zählt weltweit zu den ältesten existierenden Graffiti-Gemälden und ist das erste, das von der schwedischen Regierung als Kultur-Erbe geschützt wird. Von ihm stammen die Spielfilme „Metropia“ (2009) und zuletzt der im schwedischen Kino erfolgreiche Kriminalfilm „Tommy“ (2014). Für seinen aktuellen Polit-Thriller sollten gerade die Dreharbeiten in Kairo beginnen, als das „diskrete“ Drehverbot „von oben“ das Team erreichte und man ins marokkanische Casablanca zum Drehen auswandern musste. (Außerdem, Deutschland produzierte ja mit, wurde auch im hiesigen Erfurt gedreht.) Geschickt und zeitkritisch-aufregend verwebt Tarik Saleh den nebulösen Mordfall und diese Halb-Privaten-Ermittlungen des Schnüfflers Noredin mitten hinein in die nicht mehr aufzuhaltenden gesellschaftlichen Unruhen, die sich in den „Arabischen Frühling“ entwickeln und zuspitzen werden. Die Fesseln der alten, faulen Strukturen werden angegangen, wogegen sich die Systemträger – noch – wehren. Draußen wie drinnen. Das Kairo von 2011 atmet dieselbe Nervenanspannung aus wie etwa einst ein Los Angeles der 40er Jahre, wo dann innerhalb der „Schwarzen Hollywoodfilme“ ebenfalls viel gesellschaftlicher Schmutz vorhanden und zu beseitigen war: schmierig, dekadent und Macht-bestimmt von Geld. Dieser Noredin-Typ jedenfalls agiert wie ein Enkel der coolen Schnüffler-Socke Marlowe oder wie diese zynische Mickey Spillane-Maschine Mike Hammer.

Der Film „DIE NILE HILTON AFFÄRE“, besetzt mit einem Klasse-Darsteller-Ensemble, besitzt die erzählerisch-spannenden, atmosphärisch-großartigen Qualitäten eines sehr beeindruckenden schmutzigen Polit-Thrillers, dessen faszinierendem Spannungs-Sog man sich, nach anfänglichen Orts-Schwierigkeiten, nicht entziehen kann (= 4 PÖNIs).

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