DIE GÖTTLICHE ORDNUNG

PÖNIs: (4,5/5)

„DIE GÖTTLICHE ORDNUNG“ von Petra Biondina Volpe (B + R; Schweiz 2016; K: Judith Kaufmann; M: Annette Focks; 96 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.08.2017); SIE ist Erbin einer Sägerei und einzige Frau im Dorf, die etwas zu sagen hat. Und was sagt „Frau“ öffentlich = laut, deutlich und tatsächlich: „Frauen in der Politik, meine Damen, das ist schlichtweg gegen die göttliche Ordnung!“ Wir befinden uns nicht im Hintertupfing des vorletzten Jahrhunderts, sondern anno 1970 in einem ländlichen Dorf in der SCHWEIZ. Wo es noch „idyllisch“ zugeht. Die Männer sagen, was zu tun beziehungsweise nicht zu tun ist; ihre Frauen dürfen sich zuhause am Herd und mit dem Nachwuchs „austoben“ und müssen den Anweisungen von „Mann“ folgen. Sind nicht „geschäftsfähig“. So will es das geltende Gesetz. Von den überall in der Welt stattfindenden sozialen, emanzipatorischen Umwälzungen ist hier noch nichts angekommen. Nochmal: Es ist das Jahr 1970, nicht 1870. Eine Collage am Anfang signalisiert weltliche Zeit-Zeichen; von wegen: Woodstock, Hippies, Black Power, sexuelle Revolution, eine Welt im Umbruch. Wir aber blicken auf SCHWEIZER Verhältnisse in jener Epoche, auf ein Dorf und seine Gemeinschaft in Appenzell: Gemusterte Tapeten, kleine Fernsehapparate, hässliche Pantoffeln und überhaupt: Diese drögen Farben, dieses klobige Mobiliar, die stickige graue Kleidung; wohin man schaut, alles riecht dumpf, nach Enge, nach Einengung. Graue Menschen mit grauen Gedanken in einer grauen Region.

Obwohl Frauen die Bevölkerungsmehrheit stellen, sind sie von „Entscheidungen“ der Männer abhängig. Wie Nora (MARIE LEUENBERGER). Sie stemmt den Haushalt, zwei Kinder, Schreiner-Ehemann Hans (MAXIMILIAN SIMONISCHEK/ja, der Sohn von Peter „Toni Erdmann“ Simonischek), und den erzkonservativen Schwiegervater-Dauerstänkerer hat sie auch noch an der häuslichen Betreuungsbacke. Bisher „funktionierte“ Nora, dann aber kommt sie zufällig mit der aktiven Frauenbewegung in der Region in Kontakt. Ist zunächst eigentlich wenig gewillt, sich „dafür“ zu interessieren, aber der Kopf ist geweckt. Zumal ihr die dazugehörige Literatur nicht nur die Augen, sondern auch den Verstand öffnet. Eigentlich auch ganz harmlos: Nora plant, halbtags arbeiten zu gehen („Nur putzen und Socken-waschen ist etwas langweilig“). Als Sekretärin. Ehemann Hans hat was dagegen. Von wegen: Wie sieht denn das aus; so als ob ER die Familie nicht alleine zu ernähren in der Lage sei und überhaupt: Sein „Befehl“ lautet nein. Und seine Zustimmung ist nun mal erforderlich, wenn Frau „etwas unternehmen“ will. „Ich mache dir einfach noch ein Kind, dann ist dir nicht langweilig“, lautet seine Reaktion. Auf ihre „Anfrage“. Aber Nora resigniert nicht mehr, hat längst Verbündete ausgemacht, nimmt „heimlich“ an einem Frauen-Workshop in Zürich teil (und wird dort von der These überrascht: „Wir müssen unsere Vagina kennenlernen – das Auge Gottes!“) und sorgt auch im Dorf mit Gleichgesinnten/Innen für mehr und mehr spannende Unruhe.

Wenn dieser Film aus den USA käme und etwa, durchaus vorstellbar, mit Meryl Streep in der Hauptrolle besetzt wäre, wäre die Beachtung natürlich riesig. So aber muss ein hervorragender neuer Film aus der Schweiz, der soeben von dort für die nächste Auslands-„Oscar“-Nominierung benannt wurde, eher „stiller“ im aktuellen = überhitzten Film-Aufgebot im Kino fighten, um wahrgenommen zu werden. Dabei besitzt er erstaunlich gelungene komödiantische wie überhaupt kluge und überaus Humor-trockene Denk- und Spaß-Wehen. Motto: Das Private ist politisch, und WIR-FRAUEN sind allemal gleich. Die Cinemascope-Bilder der Autoren-Regisseurin PETRA BIONDINA VOLPE („Traumland“/2013/Debüt) und ihrer exzellenten Kamera-Frau JUDITH KAUFMANN sind nicht verbiestert und etwa mit botschaftsähnlichen Polit-Ausrufungszeichen bestückt, ganz im Gegenteil: Sie sprudeln nur so vor pfiffig-sensibler Denk-List und pfiffiger Frauen-Tücke. Zudem wird hier nicht eine Art „Heldin“ präsentiert, der schließlich „das Banner“ gehört, sondern eine couragierte Frau, die auch innerfamiliäre und nachbarschaftliche Hilfe leistet, damit Frauen in diesem faulen Milieu nicht untergehen. Was Petra Biondina Volpe unaufgeregt, aber souverän mit-einzubinden vermag. Während auch der „patriotische“ Score von ANNETTE FOCKS unbedingt als fein-ironisierte Ton-Kommentierung zu erwähnen ist.

MARIE LEUENBERGER, die neulich beim Olaf Schubert-Desaster „Schubert In Love“ so entsetzlich verheizt wurde, verdient sich vehement als besonnen-stimmungsvolle Nora-Revoluzzerin Charme-Komplimente und Zustimmung.

Ein cleverer und angenehm emotionaler Unterhaltungsfilm. Der mit gleich drei „Schweizer Filmpreisen“ und beim New York-Festival mit dem Publikumspreis und dem „Nora Ephron-Preis“ bedacht wurde, beim Nachbarn im Kino groß an- und herauskam und nun auch hierzulande für viel filmischen Kampf-Spaß sorgt. Mit dem Verweis, dass es sich bei „Die göttliche Ordnung“ zwar um einen „historischen“ Film handelt, dessen Thema aber deswegen keineswegs unaktuell ist, blicken wir doch nur mal auf den gegenwärtigen US-Präsidenten und auf seine ekligen Macho-Allüren. Zum Beispiel.

Apropos: Am 7. Februar 1971 „bekamen“ Frauen in der Schweiz das Stimm- und Wahlrecht (JA: mit 66% zu 34%). Erst 1990 dagegen führte Appenzell Innerrhoden als letzter Kanton das Stimmrecht für Frauen auf kantonaler Ebene ein; gegen den Willen der männlichen Stimmbürger. 27 Jahre danach macht uns eine brillante Kopf- & Bauch-Komödie dazu herrlich Kino-an (= 4 1/2 PÖNIs).

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