CHARLIE MUFFIN

„CHARLIE MUFFIN“ von Jack Gold (GB 1979; B: Keith Waterhouse; nach dem gleichn. Roman von Brian Freemantle/1977; K: Ousama Rawi; M: Christopher Gunning; 105 Minuten; deutsche Erstaufführung am 12.07.1980 im ZDF; Heimkino-VÖ/DVD: 02.03.2018); obwohl er seit den 1960er Jahren zu den besten britischen Regisseuren zählte, ist JACK GOLD (*28.6.1930 – †9.8.2015) „in der Menge“ weitgehend unbekannt geblieben. Dabei hat er herausragende Spielfilme wie „Ereignisse beim Bewachen der Bofors-Kanone“ (1968); „Bis zum letzten Patienten“ (1972); „Freitag und Robinson“ (mit Peter O’Toole/1975); „Der Schrecken der Medusa“ (mit Richard Burton und Lino Ventura/1977) oder „Flucht aus Sobibor“ (1987/“Emmy-Award“-Nominierung) geschaffen. Allerdings – mit einem Film immerhin hat er sich – hierzulande – unsterblich gemacht, denn die ARD zeigt ihn an jedem Weihnachtsfest: „Der kleine Lord“ von 1980, mit Sir Alec Guinness und Ricky Schroder. Jetzt ist von Jack Gold ein Film aus den End-Siebzigern wieder aufgelegt worden, der zweifellos zu den besten Agentenfilmen der damaligen Kalte-Kriegs-Epoche zählt. Basierend auf dem ersten Roman des englischen Autors Brian Freemantle, der 1977 mit der Figur des britischen MI6-Agenten „Charlie Muffin“ keinen Supermann und auch keinen „Oxbridge-Absolventen“ erfand, sondern einen aus einfachen Verhältnissen stammenden, etwas schäbig aussehenden und wirkenden Typen; der oft unterschätzt wird, aber in seinem Job äußerst clever und trickreich agiert. Und auf den seine arrogante, opportunistische Nadelstreifen-Umgebung deshalb nicht verzichten kann. Obwohl sie ihn zu gerne „diskret“ los werden würden. Klappt aber eben nicht: Charlie, der gute Getränke nicht verabscheut, ist einfach viel zu gewitzt. Und ihnen, diesen angeberischen Amts-Marionetten, immer mehrere Denk- und Handlungsschritte voraus.

Schuhe. Auf sie blicken wir anfangs ausführlich. (Und auch am Ende übrigens; symbolisch). Zunächst aber: sauber geputzte, gelackte, feine Schuhe. Die auf dem Fußboden eines Hotel-Ganges vor den Türen stehen. Ein Paar Treter allerdings fallen aus dem Rahmen und signalisieren sogleich den selbstbewusst-lässigen Charme und „die Bestimmung“ von Charles „Charlie“ Muffin. Während um ihn herum lauter Popanze im West-Ost-Agenten-Taumel tanzen, dreht er sein eigenes Ding. Was seinen neuen Chef, den blasierten Sir Henry Cuthbertson (IAN RICHARDSON), permanent auf die Palme bringt. Doch als einige Aktionen von diesem galanten Henry-Dummbazi schief laufen, muss er sich – wohl oder übel – mit „diesem Proleten“ Charlie verbünden. Und auch mit der CIA, dessen Vertreter mit Namen Ruttgers (SAM WANAMAKER) ähnlich dämlich-überheblich gestrickt ist wie sein britischer Ober-Kollege Sir Henry. Kein Wunder, dass Charlie hier längst heimlich die tatsächliche Führung und Planung übernommen hat. Ein hochrangiger sowjetischer General (PINKAS BRAUN) will offenbar überlaufen, und MI6 & CIA sollen dies arrangieren. Charlie wird beauftragt, die dafür notwendigen handwerklichen Maßnahmen auszuüben, was ihm – wir ahnen es – sehr zupass kommt. Aber schließlich hat er sowieso schon die dafür notwendigen Schachzüge originell wie pointiert vorbereitet beziehungsweise: entwickelt. Was für ein leckeres Vergnügen!

Der britische TV-Film „Charlie Muffin“ lässt einen Außenseiter mit Outlaw-Charakter brillieren. Ohne übertriebene Aktionen, sondern köstlich-britisch unterkühlt, mit sehr viel satirisch-pfiffigem Humor und einem formidablen DAVID HEMMINGS (*18.11.1941 – †03.12.2003) als beherztes „Charlie“-Aushängeschild an der Intriganten-Rampe. Der durch den Michelangelo Antonioni-Klassiker „Blow Up“/1966 zum Weltstar avancierte Mime, der auch als Regisseur arbeitete und 1979 den letzten Marlene Dietrich-Film „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ inszenierte, gibt hier den vermeintlichen „Trottel“, um dann das Räuber-und-Gendarm-Polit-Spiel nach seiner listigen Fasson durchzuziehen. Macht Spaß, bereitet viel spannendes Unterhaltungsvergnügen, weil sich immerhin so namhafte Rollen-Figuren wie der herrlich überhebliche Brite IAN RICHARDSON; der sich nicht minder total überschätzende „Ami“ SAM WANAMAKER sowie weitere darstellerische Hochkaräter wie der Schweizer („Edgar Wallace“-erprobte) PINKAS BRAUN oder Sir RALPH RICHARDSON und (der damals populäre kanadische Nebendarsteller-König) SHANE RIMMER einfach anstecken und mitreißen ließen und bei diesem furiosen Agenten-Thriller mit viel schwarz-komischer Humor-Beilage köstlich-„adrett“ mitmischten.

„Charlie Muffin“ von 1979 ist ein spitzenmäßiger Zeitzeichen-Thriller und fürs Heimkino derzeit ein Archiv-Hit (= 4 1/2 PÖNIs).

Anbieter: „PIDAX-Film“.

 

 

 

 

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