CHALLENGER – EIN MANN KÄMPFT FÜR DIE WAHRHEIT

PÖNIs: (4/5)

Der 28. Januar 1986 war ein Dienstag. Wie immer an diesem Werktag bereitete ich im Hause von RIAS-Berlin meine abendliche Sendung „RIAS 2- Special: FILM AKTUELL“ vor. Zugleich waren überall in den Räumen die Fernsehapparate an, wo live über die 25. Spaceshuttle-Mission aus dem NASA Raumfahrtzentrum (dem John F. Kennedy Space Center) auf Merritt Island in Florida berichtet wurde. Mit 7 Crew-Mitgliedern an Bord startete die Raumfähre Challenger ins All. Nach 73 Sekunden, es war 11:39 Uhr Ortszeit, explodierte sie. Alle Insassen kamen ums Leben. Unter ihnen auch Christa McAuliffe; sie wäre die erste Lehrerin im All gewesen. Der Schock über diese Tragödie war weltweit groß. Und löste in den USA Entsetzen aus. Ein Spielfilm arbeitet die Tragödie auf und bilanziert die zahlreichen – vorhersehbaren – Fehler, die bei der umfangreichen Nachuntersuchung des Unglücks schließlich zu Tage traten. Dabei im Blick- und Mittelpunkt: ein integrer Mann, der gegen „offizielle Windmühlen“ antritt:

„CHALLENGER – EIN MANN KÄMPFT FÜR DIE WAHRHEIT“ von James Hawes (USA/GB 2013; B: Kate Gartside; K: Lukas Strebel; M: Christopher Letcher; 90 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 01.02.2016).

Der reißerische deutsche Zusatztitel sollte nicht irritieren; hinter ihm verbirgt sich ein hervorragender Spannungsfilm, Originaltitel: „The Challenger“, der auf dem Buch „What Do You Care What Other People Think?“ von Richard und Gweneth Feynman aus dem Jahr 1988 basiert. Eingangs heißt es bei dieser TV-Produktion (mit dem britischen Partner BBC 2): „Dies ist eine wahre Geschichte. Einige Szenen wurden aus dramaturgischen Gründen eingefügt“.

Dr. Richard Feynman (WILLIAM HURT) ist Physik-Nobelpreisträger und zählt, so wird er bei der Universität anlässlich seines Vortrages angekündigt, zu „einem der 10 bedeutendsten Physiker aller Zeiten“. Während er seinen Vortrag hält, beginnen in Florida die Vorbereitungen zum neuesten Spaceshuttle-Flug. Als Richard Feynman nach Hause zurückkehrt, ist das Unglück geschehen. Das Fernsehen berichtet über den Tod der sieben Insassen. Zugleich heißt es, dies sei die größte Katastrophe in der Geschichte des Raumfahrtprogramms, bei der Technologie im Wert von einer Milliarde Dollar vernichtet wurde.

Wie immer bei solchen fürchterlichen Vorkommnissen wird eine Kommission berufen. Um die genauen Hintergründe und Fakten zu ermitteln und die Menschen zu suchen, die möglicherweise für dieses „Unglück“ verantwortlich waren. Es war ein „Unglück“, stellt anfangs der mächtige Vorsitzende dieses Gremiums, der Anwalt William Rogers fest (BRIAN DENNEHY, der legendäre einstige Sheriff-Gegenspieler beim ersten „Rambo“-Film/deutsche Stimme: KLAUS SONNENSCHEIN). Was klarstellen soll: Es darf keine Kritik an der NASA, „Amerikas Stolz“, geben. Das aber sieht Kommissions-Mitglied Dr. Feynman ganz anders. Und macht sich eigenständig auf die Recherche. Was natürlich für Unruhe in dieser „Beamten“-Mannschaft sorgt und schließlich auf allgemeines Missfallen stößt. Denn der kluge Doktor findet bald heraus, dass bei dieser Jubiläums-Shuttle-Mission einiges schief lief. Bereits im Vorfeld. Und dieser Flug niemals „so“, unter diesen Voraussetzungen, hätte starten dürfen. Menschenleben wurden auf „gut Glück“ aufs teure Geld- und politische Image-Spiel gesetzt.

Er ist der typische schlaue Außenseiter. Zieht sich nur ungerne Krawatten an, interessiert sich für seine Haarfrisur, sagen wir mal, „zweitrangig“, läuft mit einer uralten, abgenutzten Aktentasche herum und gibt sich konsequent, wenn es darum geht, in dieser Bürokraten-Crew fachlich zu argumentieren. Ist gegen diese „Pflichtnummer“ der Aufarbeitung, will w i r k l i c h herausbekommen/wissen, was bei dieser nationalen Katastrophe passiert ist und warum. Was schiefgelaufen ist. Dr. Feynman nimmt Präsident Ronald Reagan beim Wort, der öffentlich verkündet: „Wir vertuschen nichts“. Weil aber jeder in dieser Kommission ausgesprochen „enge Verbindungen“ besitzt, sei es zur NASA, sei es zur konservativen Regierung, wird es für den einzigen Kommissions-Unabhängigen immer schwieriger, die Unglücksursachen zu ermitteln. Zudem: Dr. Richard Feynman fühlt sich zunehmend unwohler in dieser „Welt der Politik“, also des taktischen Geschachers, des offensichtlichen Vertuschens und Manipulierens. Und: Er ist seit einiger Zeit sehr krank und müsste eigentlich aus diesem Grund aufgeben. Doch, mit Unterstützung der Familie, kämpft er weiter. Für die Wahrheit.

Dieser vielfach preisgekrönte Film steht – und fällt nicht – mit dem gestern, am 20. März 2016, 66 Jahre alt gewordenen Ausnahme-Schauspieler und „Oscar“-Preisträger WILLIAM HURT (deutsche Stimme: THOMAS FRITSCH), bekannt und geschätzt aus Filmen wie „Kuss der Spinnenfrau“ (= „Oscar“ 1986); „Gottes vergessene Kinder“; „Nachrichtenfieber – Broadcast News“ oder „A History of Violence“ oder „8 Blickwinkel“…). Der in jeder Szene mit-dabei ist und diesen Part des etwas linkisch wirkenden, extrem klugen Wissenschaftlers auf den Poren- und Pointen-Punkt genau faszinierend hinkriegt. Und eine emotional jederzeit ansprechende Spannungsfigur entwickelt, die überragend „an der Rampe“ mimt. BRUCE GREENWOOD (zuletzt in „Good Kill – Tod aus der Luft“) ist ihm als „kritischer Militär“ ein guter Stichwort-Begleiter.

„CHALLENGER“ ist ein Klasse-Heimkino-Film, der vorzüglich informiert und dabei prächtig unterhält (= 4 PÖNIs).

Anbieter: „Polyband“

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