Berliner Morgenpost Interview am 20.10.2016

Interview in der „Berliner Morgenpost“ Online-Ausgabe vom 20.10.2016 von Aaron Clamann

FILM-REMAKES

Das sagt Kritiker Pönack zur Neuverfilmung-Schwemme im Kino
Von „Ben Hur“ bis „Dschungelbuch“ kommt man im Kino um Neuverfilmungen kaum herum. Wir fragen einen Kritiker: Muss das alles sein?

Der Filmkritiker Hans-Ulrich Pönack hat eine deutliche Meinung zu diesen Neuverfilmungen. Dabei ist die Meinung des Mannes, den die Satiriker von „Switch Reloaded“ mit Sketchen adelten, nicht immer negativ. Im Interview verrät Pönack, warum er am liebsten alle Filme von Deutschlands bekanntestem Filmemacher neu verfilmen würde – und warum manche Werke gern auch mehrfach verfilmt werden können.

Herr Pönack, wann ergibt die Neuverfilmung eines Filmstoffs überhaupt Sinn?

Hans-Ulrich Pönack: Wenn es ein guter Stoff ist. Wenn es ein zeitloser Stoff ist. Bei einer guten Geschichte kann das Ganze auch gleich mehrmals verfilmt werden, das macht nichts.

Disney hat eine ganze Serie an Neuverfilmungen angekündigt. „Aladdin“ und „Die Schöne und das Biest“ sollen bald gedreht werden oder sind schon abgedreht. Muss das sein?

Pönack: Es gibt genug Kinder und Jugendliche, die die Originalfilme ja gar nicht kennen. Aber „Aladdin“ mit Guy Ritchie als Regisseur, das weckt schon die Spannung. Es gibt einfach Regisseure, bei denen man gerne auf Filme wartet.

Den Stoff von „Die Schöne und das Biest“ aber hat ja eigentlich jeder Filmemacher schon einmal gemacht, überspitzt formuliert. Dazu gab es ein bekanntes Trickfilm-Musical. Da kann ich mir nicht vorstellen, was noch kommen soll. Das Thema dieser Liebesgeschichte ist einfach durch. Die ganzen Tarzan-Verfilmungen zähle ich übrigens auch schon gar nicht mehr.

Welche Neuverfilmung fanden Sie besser als die Originalvorlage?

Pönack: Den aktuellen „Dschungelbuch“-Film fand ich besser, weil die Geschichte an unsere Zeit angelegt und etwas härter ist. Auch die Umsetzung mit kindlichem Schauspieler und sensationellen Effekten ist einfach ein Vergnügen. Das Ganze hat aber auch wenig mit dem Zeichentrick-Spaß-Klassiker von 1967 zu tun.

Welche Neuverfilmung ging gar nicht?

Pönack: Wenn man es so macht wie kürzlich bei Ben Hur, ist es einfach nur schlimm. Da sagt man ja nur noch: Was haben die sich denn dabei gedacht? Das gilt auch für „Die glorreichen Sieben“. Wenn Sie den Film mit Horst Buchholz und Charles Bronson von 1960 kennen und nicht im Kino wütend werden wollen, sollten Sie in den neuen Film nicht gehen.

Es gibt auch Neuverfilmungen, die gar nicht mehr als solche gesehen werden. Zum Beispiel der Bond-Film „Sag niemals nie“ (1983), der eine Kopie von „Feuerball“ (1965) ist.

Pönack: „Sag niemals nie“ wird von vielen zwar nicht offiziell mitgezählt, weil er von einer anderen Produktionsfirma kommt. Aber für mich ist und bleibt das ein richtiger Bond-Film, weil der originale Bond, Sean Connery, mitspielt; ebenso wie Kim Basinger als sexy Bond-Girl und der deutsche Star Klaus Maria Brandauer als eleganter Schurke. Ein typischer 007-Film also.

Von welchem Film wünschen Sie sich eine Neuverfilmung?

Pönack: Von jedem Til-Schweiger-Film. Die müssten alle ohne ihn neu gedreht werden. Mit wem ist eigentlich egal. Das könnte von mir aus jeder andere Schauspieler oder Regisseur besser erledigen.

Aber im Ernst: Für mich ist einer der besten Filme überhaupt ein deutscher: „Der Untertan“ von Wolfgang Staudte (DDR 1951). Mit Werner Peters in der Rolle seines Lebens. In diesem Film wird gedacht, gesagt, gezeigt warum wir Deutschen so sind wie wir sind beziehungsweise wie wir so geworden sind. Dies wäre heutzutage – angesichts der zunehmenden Rechtsradikalität in unserem Land – ein ebenso mutiges wie spannendes und unterhaltsames Unterfangen.

Ich bezweifle allerdings, ob wir dafür geeignete Autoren und einen klugen Regisseur haben. Wer traut sich wirklich an solch ein wagemutiges Thema und kriegt es bei den vorsichtigen, ängstlichen Förder-Figuren in den Förder-Instanzen durch? Unsere Filmemacher sind vieles, vor allem aber nicht politisch-mutig. Das wird inzwischen nur dem TV-Krimi wie dem „Tatort“ überlassen.

Welcher Film sollte aus Ihrer Sicht nie neu verfilmt werden?

Pönack: Zwei: „Citizen Kane“ und „Uhrwerk Orange“ – davon will ich nie eine Neuverfilmung sehen. Das sind herausragende Filme mit so viel Kunst-Gewalt, dass es nicht sein muss. Aber da wird sich wohl auch keiner heran wagen.

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