AN EDUCATION

PÖNIs: (4/5)

„AN EDUCATION“ von Lone Scherfig (GB 2008; B: Nick Hornby; nach der gleichn. Biografie von Lynn Barber; K: John de Borman; M: Paul Englishby; 100 Minuten; deutscher Kino-Start: 18.02.2010); was für eine schöne Entdeckung, was für ein feiner Film. Sozusagen – die britische Antwort auf den amerikanisch-kanadischen Außenseiter-Hit „Juno“ von Jason Reitman aus dem Jahr 2007; mit der wunderbaren „Göre“ Ellen Page in der Titelrolle. Hier nun brilliert die 24-jährige britische Schauspielerin CAREY MULLIGAN in der Hauptrolle (und bekam, ebenso wie damals Ellen Page, sogleich eine „Oscar“-Nominierung). Aber der Reihe nach: Die 40-jährige dänische Drehbuchautorin und Regisseurin Lone Scherfig studierte von 1976 bis 1984 Filmwissenschaft an der Universität von Kopenhagen sowie an der Sorbonne in Paris sowie Regie an der Dänischen Filmhochschule, wo sie auch ihren Abschluß machte. Seit Anfang der 90er Jahre dreht sie Spielfilme; bei uns wurde sie vor allem durch ihre Kinowerke „Italienisch für Anfänger“ (“Silberner Berlinale-Bär“ als „Preis der Jury“ 2001) und „Wilbur Wants to Kill Himself“ (2002; s. Kino-KRITIK) bekannt. Ihr neuester Film (sinngemäß übersetzt: „Eine Schulung“, gemeint „Lebensschulung“) basiert auf den Memoiren der britischen Journalistin Lynn Barber, die erstmals in einem britischen Literaturmagazin veröffentlicht wurden. Die autobiographische Erzählung stieß auf das Interesse des populären britischen Schriftstellers NICK HORNBY (52), dessen bekannteste Romane „Fever Pitch“, „High Fidelity“ und „About a Boy“ allesamt auch verfilmt wurden. Hornby adaptierte den Stoff von Lynn Barber zu einem Drehbuch, für das er kürzlich mit einer „Oscar“-Nominierung bedacht wurde (insgesamt wurde der Film 3-fach „Oscar“-nominiert; „Oscar“-Verleihung ist bekanntlich am 7. März 2010).

„An Education“ ist eine Zeitreise. In die „unschuldige“ Anfang 60er Epoche. In das England von 1961. In eine öde Londoner Vorstadt. Dort lebt die 16-jährige Jenny mit festen Vorsätzen. Möglichst „sehr gut“ die Schule abschließen, um danach in Oxford studieren zu können. Um danach möglichst ein selbstbestimmtes Leben als Lehrerin führen zu können. Sowohl die Eltern, als auch ihre Lehrerin, Miss Stubbs (OLIVIA WILLIAMS, die Ehefrau von Pierce Brosnan in dem neuen Polanski-Film „Der Ghostwriter“, der auch in dieser Woche in den Kinos anläuft), unterstützen sie in ihren Plänen tatkräftig. Jenny begeistert sich für Albert Camus und den Existenzialismus. Ist mit viel Freigeist-Charme ausgestattet. Doch ihre Lebensplanung gerät ins Wanken, als sie den mondänen Mit-Dreißiger David (PETER SARSGAARD/“Machtlos“; „Flightplan – Ohne jede Spur“) kennenlernt. DER ist fasziniert von diesem „kecken Audrey-Hepburn-Reh-Charme“. Wirbt um sie. Eröffnet ihr eine andere Welt. Außerhalb ihres provinziellen Kleinstadt-Miefs. Konzerte, Nachtclub-Besuche, Dinnerparties und spektakuläre Kunst-Auktionen stehen fortan auf ihrem „gesellschaftlichen Programm“. Das Girl aus der Reihenhaussiedlung erlebt eine schicke, elegante Neu-Welt, die so ein bißchen an die großen Gefühle und Sehnsüchte der geliebten französischen Chansons erinnert, die sie und ihre Freundinnen so mögen. Und: Mit seinen feinen Manieren, dem offensichtlichen Wohlstand und mit seinen „hochrangigen Kontakten“ wickelt Lebemann David sogar die konservativen Eltern von Jenny (CARA SEYMOUR/ALFRED MOLINA) um den Finger. Ja, sie gestatten es sogar, dass die minderjährige Tochter mit ihrem Verehrer nach Paris reisen darf, in „Anstandsbegleitung“ selbstverständlich. Jenny ist überrumpelt. Die Vorzeigeschülerin beschließt, zum Entsetzen ihrer Schuldirektorin (EMMA THOMPSON) und ihrer Lehrerin, die Schule ganz „zu schmeißen“. Das Leben kann beginnen. Und beginnt. Allerdings … Erfahrung-pur…

Der bei der vorjährigen Berlinale innerhalb der Reihe „Berlinale Special“ bei uns erstmals gezeigte Film versucht nicht zu foppen, zu tricksen, zu manipulieren. Alles ist genauSO, wie wir es sehen, fühlen, erleben. Hören. Eine künstliche Extra-Spannung wird nicht aufgebaut/erzeugt, ganz im Gegenteil: Pubertäre Unordnung, forsche Bewegungen, eine „stimmungsvolle“ Sprache, pfiffige Emotionen sind an der SEHR unterhaltsamen Tagesordnung. WIE hier ein Blick auf eine Illusion und einen Lebenslauf jener Zeit unaufgeregt, vergnüglich, weise und lebensnah entworfen wird, ist amüsant wie blitzgescheit und putzmunter. Auch, weil Nick Hornby mit seinen ausgefeilten Dialogen ganz dicht wie präzise die Tonlage und das Lebensgefühl der Jugendlichen „von damals“ flink wie komisch trifft. Und weil die Akteure, und zwar das gesamte Ensemble unter Führung dieses toughen Paares, dies so angenehm-treffsicher-körpersprachlich und köstlich-vollmundig rüberbringen können. „An Education“ ist Menschel- und Zeit-Kino vom Feinsten; ist ein Perlenstück von erstklassiger Spitzenunterhaltung (= 4 PÖNIs).

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