THE AMAZING SPIDER-MAN

„THE AMAZING SPIDER-MAN“ von Marc Webb (USA 2011; B: Alvin Sargent, Steven Kloves; nach den gleichn. MARVEL-Comics; K: John Schwartzman; M: James Horner; 136 Minuten; deutscher Kino-Start: 28.06.2012); mit „REBOOT“ wird d e r Teil einer Filmreihe bezeichnet, die die bisherigen Geschichten NICHT weiterführt, sondern – mit neuartigen Motiven – noch einmal von vorne erzählt. Dieser neue Film ist solch ein Reboot-Movie. Setzt die bisherigen drei Spider-Man-Filme (von 2001/2003/2007) nicht fort, sondern beginnt neu. Motto: Alles auf Anfang. Zum 50-jährigen Jubiläum dieser „Spinne“, denn der allererste Auftritt dieser US-Comic-Figur fand 1962 in der August- und zugleich auch letzten Ausgabe der Comic-Heftreihe „Amazing Fantasy“ statt (die damals bereits im Juni ausgeliefert wurde). Erfinder war der 40-jährige New Yorker Comic-Autor STAN LEE, gemeinsam mit dem Zeichner Steve Ditko. Es war die Geburtsstunde zur legendären Marvel-Comic-Reihe. Die ab Mitte der 60er Jahre dann auch in der BRD regelmäßig veröffentlicht wurde. Thema, natürlich: Ein labiler Typ wird im Labor von einer Spinne gebissen, „bekommt“ daraufhin übernatürliche Kräfte und Fähigkeiten, die er für eine flotte Law-and-Order-Gerechtigkeit und gegen seine „Hemmungen“ einsetzt. Vor allem aber, um immer gegen EINEN Superschurken (z.B. „grüner Kobold“) anzutreten. Und zu bestehen. Um damit auch seine „Heimat“ New York vor dem totalen „Zerdeppern“ zu bewahren.

Die bisherigen „Spider-Man 1-3“-Blockbuster (Spider-Man; s. Kino-KRITIK/Spider-Man 2; s. Kino-KRITIK/Spider-Man 3; s. Kino-KRITIK) besaßen einen festen Ensemble-Rhythmus: Sam Raimi war der Regie-Herrscher, in den beiden Hauptrollen traten Tobey Maguire sowie – als totale Fehlbesetzung – Kirsten Dunst als „Liebchen“ des Helden auf. Die Bösewichte bedienten (immerhin) Willem Dafoe, Alfred Molina sowie James Franco. Bei allen drei Filmen wurde viel mit (Computer-)Tricks und „Psychologie“ hantiert. Stichwort: Laber-Blockbuster. Spider-Boy Peter Parker will eigentlich nicht Supermann sein, muss es aber immer wieder „erleben“. Zwischendurch elendes Tiefengequatsche. Wenn es um die Präsentation der Effekte ging, funktionierten die teuren Leinwand-Gigs halbwegs, waren von erheblichem Schau-Wert. Ansonsten aber waren diese Filme seelenloses Zeugs. Immer dasselbe: der ständig gebeutelte, benachteiligte, depressive Gute gegen die scheinbar übermächtigen Widersacher.

Das ist hier anders. Völlig verändert. Erstmals besitzt ein Spider-Man-Film Charakter eine ausführliche, plausible Story. Und zwei Hauptfiguren, bei denen „die Chemie“ aber so etwas von „stimmt“. Dazu – mit vielen Schmunzel- und sogar Lach-Einheiten. Und natürlich wieder auch – mit bombastischen „Flugeinlagen“. Kurzum: „The Amazing Spider-Man“ ist eine phantastische Show!

Peter Parker und sein Trauma. Als Kind die Eltern verloren. DIE „parkten“ ihn bei Onkel Ben (MARTIN SHEEN) und Tante May (SALLY FIELD). Die erzogen ihn „gut“ groß. Natürlich wird er zum Außenseiter. Der in der Schule so manche Pöbeleien abbekommt. Irgendwann entdeckt der Jungspund Unterlagen seines Vaters. Was eigentlich waren dessen geheime Forschungen? Worum handelte es sich bei denen? Peter macht sich auf, um nach seinen Wurzeln zu recherchieren. Und landet im Labor von Dr. Curt Connors (RHYS IFANS), dem früheren Partner seines Vaters. Wird dort von besagter „Chemie-Spinne“ gebissen, ein neuer Held ist auserkoren. Denn Peter vermag nun „Dinge“ zu tun, zu handhaben, von denen Normalsterbliche nur träumen dürfen. Alles klar. Das virtuose Spiel kann beginnen. Natürlich in der angesagten und vor allem im letzten Teil wirkungsvollen, „hübschen“ 3D-Optik.

Hinter den Kulissen waren viele „Hochkaräter“ am Werk: Der 83-jährige dreifache „Oscar“-Preisträger ALVIN SARGENT („Paper Moon“/“Julia“/“Eine ganz normale Familie“) sowie der mehrfach „Oscar“-nominierte 51-jährige Autor und Regisseur STEVEN KLOVES (schrieb die Filmbücher für 6 „Harry Potter“-Abenteuer/Autor + Regisseur von „Die fabelhaften Baker Boys“,1989/Autor von „Die WonderBoys“/2000) verfassten ein gescheites Drehbuch. Mit viel angenehm besonnenem Entwicklungspotenzial. Voll von reizvollen Charakter-Figuren und mit einer spannenden Geschichte. Mit dem 37-jährigen Regisseur MARC WEBB kam „frisches Blut“ in das im Grunde eingefahrene Thema. Und Schema. Webb war viele Jahre erfolgreich im Musikvideo-Genre („MTV-Award“ 2009 für die „Beste Regie“ für das Video zu „21 Guns“ der Gruppe „Green Day“) und fand mit seinem komödiantisch-„ungehobelten“ Regie-Spielfilmerstling „(500) Days of Summer“ 2009 gleich einen beachtlichen Zuspruch. Beim Publikum wie bei der Kritik. In seinem zweiten und nunmehr gleich immens „großen“ Film (geschätztes Budget: 220 Millionen Dollar) vermag er dem „Althergebrachten“ neue Unterhaltungsfacetten einzuhauchen.

Das Comic-Genre lebt und amüsiert plötzlich wieder. Weil sich Marc Webb zunächst die atmosphärische Zeit nimmt, ES vor allem unaufgeregt und dennoch kitzlig angehen und entwickeln zu lassen. „Richtige Menschen“ und keine Abziehbilder-Marionetten werden sicht- und hörbar. Bevor es dann „zu toben“ anfängt. Und: weil es eben diesmal zwischen dem Paar, zwischen den beiden Hauptdarsteller-Neulingen, außerordentlich prächtig „funkt“: ANDREW GARFIELD, 28, neulich in „The Social Network“ als Mark Zuckerbergs Kumpel Eduardo Saverin glänzend („Golden Globe“-Nominierung), kommt als famose Mischung aus verunsichertem Noch-Bubi und imposantem Neu-Held überzeugend „scheu“-sicher ‘rüber. Besitzt Charme und Charisma. Ebenso wie die 23-jährige EMMA STONE (der rotzige Frechdachs in „Zombieland“/2009; neulich erst in „The Help“ begeisternd) als Highschool-Freundin Gwen Stacy, die in und mit ihrer glaubwürdigen Natürlichkeit charmant punktet. Keine dümmliche „Flamme“ mimt, sondern ungekünstelt wie sympathisch mitmischt. Und auch der 43-jährige Waliser RHYS IFANS (unvergessen als Wohnungskumpel-Trottel von Hugh Grant in „Notting Hill“/1999) ist hier als Dr. Connors & „The Lizzard“/“die Echse“ kein eindimensionaler Schurke von der glatten Hollywood-Stange, sondern ein komplexes Jekyll & Hyde-Ungeheuer mit tragischen Facetten. Durchaus menschelnd wie bösartig. Und auch die Musik, der Soundtrack vom zweifachen „Oscar“-Preisträger JAMES HORNER („Titanic“), plärrt/dröhnt nicht nur „grob-motorisch“ wild über die dann spektakuläre New Yorker Jagd-Szenerie, sondern wirkt in ihrer stimmungsvollen Dramaturgie angemessen begleitend. Mitunter ohrwurmig. Starke Klänge.

Ein Rundum-Vergnügen, das ist dieser 4. Spider-Man-Film geworden. Ganz erstaunlich für ein „vorher“ so ausgelutscht geglaubtes Genre. Und Getue. „The Amazing Spider-Man“ ist ein bravouröser, einfallsreicher wie SEHR unterhaltsamer Sauerstoff für den neuen Spinnenmann. Der wiederkommen wird… (= 4 PÖNIs).

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