ALBERT NOBBS

Was ist das für kein Leben, das NUR aus Angst besteht? Tagtäglich? Indem alles Körperliche, alles Sexuelle völlig „aussortiert“ ist? Bei dem es nur darum geht, bloß nicht aufzufallen und entdeckt zu werden??? Position: Dublin, Irland. Wir befinden uns im rauen heuchlerischen Ausbeuter-Leben des katholischen 19. Jahrhunderts. Wie gehabt – der dekadente Geld-Adel befiehlt, der „Pöbel“ gehorcht. Wie der zierliche Albert Nobbs. Ein untersetzter, stocksteifer und wie ein „verirrtes Möbelstück“ (FAZ) anzuschauender Butler. Im angesehenen, angesagten und von Mrs. Baker (PAULINE COLLINS) streng geführten Hotel Morrison. Mit extrem bleichem, ungeschminktem Gesicht, indem sich einige kindliche Sommersprossen zeigen. Albert redet kaum, gibt sich quasi „unsichtbar“, also total unauffällig, ist bei den Gästen durch seine vorzügliche Diskretion und außerordentlich aufmerksame Bedienungsdisziplin geschätzt. „So jemanden“ mag man: Man erteilt einen „Befehl“, ER führt ihn selbstverständlich und zur allgemeinen Zufriedenheit umgehend aus. Punktum. Doch Albert Nobbs ist nicht wirklich Albert Nobbs. Und die Hollywood-Diva Glenn Close hat jahrelang darum gekämpft, ihn auch für das Kino interpretieren zu dürfen:

ALBERT NOBBS“ von Rodrigo Garcia (GB/Irland 2010/2011; B: Gabriella Prekop, John Banville, Glenn Close; nach einer Story von István Szabo, basierend auf einer Kurzgeschichte von George Moore aus dem Jahr 1895; Co-Pr.: Glenn Close; K: Michael McDonough; M: Brian Byrne; 109 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 17.10.2013).

Albert Nobbs ist eine Frau, die sich als Mann ausgibt. Seit vielen Jahren. Um zu überleben. Ohne Familie und ohne Ehemann hätte sie in der unmoralischen Moralgesellschaft jener Epoche keine Chance gehabt, über die „seriösen“, „anständigen“ Lebensrunden zu kommen. Also hat sie irgendwann beschlossen, einen schwarzen Abendanzug sowie Schirm, Mantel und Melone zu kaufen, um sich als fortan als Diener in Herrschaftshäusern und Hotels zu bewegen. Zu verdingen. Unaufgeregt, mit großem Zuspruch respektiert. Als ein im Hotel tätiger Maler für eine Nacht in ihre Kammer zugewiesen wird, ist ihre „Verstellung“ nicht in Gefahr. Denn Hubert Page (JANET McTEER) ist ebenfalls eine Frau, die sich als Kerl „verbirgt“. Sogar verheiratet ist mit einer Frau. Albert ist verblüfft, aufgewühlt, etwas entzückt. Sieht mittenmal eine Chance, ihre Wesensveränderung endlich ein wenig lockern zu können. Nähert sich mit großer Distanz der jungen Hausangestellten Helen (MIA WASIKOWSKA). Lässt dabei seinen Traum von einem eigenen Tabakladen verlauten. Doch Helen hat sich längst in den jungen Haushandwerker Joe (AARON TAYLER-JOHNSON) verliebt, der sie zu den Treffen mit Albert Nobbs drängt: Er plant für „Amerika“ und hofft, setzt, auf dessen Ersparnisse. Als Helen schwanger wird, ist Nobbs aufgebracht. Aufgewühlt. Kommt aus seiner emotionalen Deckung hervor.

Man MUSS SIE sehen. Erleben. Bestaunen. Bewundern. Motto: Irgendwann findet jeder GROSSE Schauspieler seinen darstellerischen Olymp. Für die am 19. März 1947 in Greenwich, Connecticut geborene GLENN CLOSE ist es DIESE ungemein eindringliche, faszinierend dargebotene Rolle. Die sechste „Oscar“-Nominierung (nach „Garp und wie er die Welt sah“/1983; „Der große Frust“/1984; „Der Unbeugsame“/1985; natürlich „Eine verhängnisvolle Affäre“/1988 und „Gefährliche Liebschaften“/1989) war vollauf verdient; eigentlich hätte sie 2012 diese Trophäe verdient, aber Meryl Streep als Margaret Thatcher („Die eiserne Lady“) „stand im Weg“. Schon 1982 hatte sie diese Rolle erstmals übernommen, in einer New Yorker Off-Broadway-Produktion. Ein Mensch polt sich „falsch“. Um. Bewusst. Schafft sich als Wesen ab, um als „Wachsfigur“-Identität fortan zu existieren. Akzeptiert sich neu. Über Jahre und Jahrzehnte. Verbirgt Gefühle tief in sich, vergräbt diese weit weg von sich. Keine sozialen Beziehungen, keine Sexualität, keine kulturelle Nähe. Zu Niemanden. GLENN CLOSE spielt diese Albert Nobbs wie eine mitleidige Chaplin-Figur, wie einen hinreißend-armseligen Tramp in besseren Klamotten. Wie eine ebenso erbarmungswürdige, sehr berührende wie außerordentlich seelenkraftintensive, dauerspannende Menschenfigur. Überragend: Glenn Close ist ungemein präsent, in ihrer Maske sagenhaft leise- charismatisch und mit jeder kleinsten Mundwinkel-Bewegung ein atmosphärisches Erdbeben. „Variety“ notierte und sprach begeistert von der „krönenden Rolle für die Karriere von Glenn Close“. In der Tat, SIE IST HIER EIN WUNDERBARES EREIGNIS! Und adelt diesen Film, dessen Ensemble ebenfalls auf ihrer Niveau-Schiene besticht. Das insgesamt dreifach „Oscar“-nominierte Spitzendrama (auch noch „Beste Nebendarstellerin“ Janet McTeer sowie „Bestes Make-up“) gehört zum emotionalen Seelenfeinsten der letzten sensiblen Filmjahre (= 4 1/2 PÖNIs).

Anbieter: „Studiocanal“

 

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