Alain Delon

BERLINALE 1995: ALAIN DELON erhält den „Goldenen Ehren-Bären“ (für „DeutschlandRadio Berlin/Ortszeit“/17.02.1995)

„Es gibt keine größere Einsamkeit als die des Samurai; es sei denn jene des Tigers im Dschungel“: Als Alain Delon 1967 im 10. Jahr seiner Karriere den Berufskiller Jeff Costello in Jean-Pierre Melvilles Gangster-Ballade „Der eiskalte Engel“ verkörperte, verschmelzen Fiktion und Realität zu dem, was man den ‚Mythos Delon‘ bezeichnet. Diese Rolle prägte ihn zeitlebens: Der Einzelgänger, der nur seiner eigenen Moral, nur seinem eigenen Ehrenkodex verpflichtet ist.

Alain Delon kommt am 8. November 1935 in einem kleinen Pariser Vorort zur Welt. Die Mutter ist Apothekenhelferin, der Vater Kinobesitzer. Als Alain 4 Jahre alt ist, lassen sich die Eltern scheiden. Alain ist ein schwieriges Kind, Er muss häufig die Schule wechseln, wächst zeitweilig bei Pflegeeltern auf. Bei seinem Stiefvater fängt er eine Metzgerlehre an und meldet sich mit 17 Jahren freiwillig zum Militär. Er kommt nach Indochina, wird aber frühzeitig entlassen. Zurück in Paris schlägt er sich mit Hilfsarbeiten durch. Er geht oft ins Kino, ist ein Fan von Spencer Tracy und John Garfield. 1957 nimmt ihn ein Freund, Jean-Claude Brialy, mit nach Cannes zu den Festspielen. Dort wird der 21 jährige mit dem ungewöhnlich schönen Gesicht von einem Späher aus Hollywood entdeckt. Einen vom Produzenten David Selznick angebotenen 7 Jahres-Vertrag lehnt er ab, um in Frankreich zu arbeiten. Sein erster Film ist eine Nebenrolle in dem Krimi „Killer lassen bitten“. 1958 trifft er bei den Dreharbeiten zu „Christine“ das erste Mal auf Romy Schneider. Die versucht in Frankreich von ihrem deutschen „Sissi“-Image loszukommen. Eine stürmische Liaison folgt, die von der Boulevard-Presse gnadenlos beobachtet wird. 2 Jahre darauf folgt schon der internationale Durchbruch Alain Delons. In „Nur die Sonne war Zeuge“ von Rene Clement spielt er den zwiespältigen Patricia-Highsmith-Helden Tom Ripley. Einen armen, aber cleveren Bursche, der seinen reichen Freund tötet, um mit dessen Identität und Geld luxuriös zu leben. Und in dem Sozialdrama „Rocco und seine Brüder“ von Luchino Visconti spielt er einen jungen Boxer.

1962 überzeugt Alain Delon an der Seite von Burt Lancaster in „Der Leopard“ von Luchino Visconti in einer bemerkenswerten Charakterrolle. Danach folgen Kriminalfilme wie „Bei Bullen singen Freunde nicht“ mit Charles Bronson und „Lautlos wie die Nacht“ mit Jean Gabin, die ihn immer populärer machen. „Die Abenteurer“ von Robert Enrico gehört 1966 zu seinen schönsten Filmen. Gemeinsam mit Partner Lino Ventura geht es auch um d a s zentrale Thema in seinem Leben: Freundschaft. Gemeint ist die Freundschaft unter Männern über die er später einmal sagt: „Freundschaft ist Treuezwang ohne mildernde Umstände“. 1967 beginnt die Zusammenarbeit mit Jean-Pierre Melville. Es entstehen diese spezifischen französischen Gangster-Balladen, die heute zu den Klassikern des Genres zählen: „Der eiskalte Engel“, „Vier im roten Kreis“ und „Der Chef“. Delon „bedient“ beide Seiten: Mal ist er Verbrecher, mal Polizist. Ende der 60er Jahre gerät in „zivile“ Schlagzeilen. Als kurz nacheinander sein jugoslawischer Leibwächter und dessen Freund umkommen, gerät Delon in Mordverdacht. Sein Privatleben wird an die Öffentlichkeit gezerrt. Und da ist er nun wieder, der ‚Mythos Delon‘: Was ist bei ihm „Film“, was „Leben“?

Er selbst verweigert Auskunft und arbeitet pausenlos. Immer muss
er dabei das coole, starre, geheimnisvolle Pokerface zeigen. „Sobald ich leidende oder schwache Menschen gespielt habe, haben die Leute mich abgelehnt“, erklärt er 1984 zu der hierzulande unbekannt Groteske „Geschichte eines Lächelns“, für die er den „Cesar“, den französischen „Oscar“, bekam. In den letzten Jahren hat er sich auf der Leinwand rar gemacht. Dafür trat er als Filmproduzent, Rennstallbesitzer, Box-Veranstalter, Kunst-Sammler und Sänger auf. 1993 spielte er in dem bei uns nur auf Video herausgekommenen Film „Der Anwalt“ von Jacques Deray den zynischen Titelhelden, der mit einem jugendlichen Mordverdächtigen in einem faszinierenden nächtlichen Duell um die Wahrheit ringt: Alain Delon – Der ewige französische Samurai!

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