3 TAGE IN QUIBERON

PÖNIs: (4,5/5)

„3 TAGE IN QUIBERON“ von Emily Atef (B + R; D/Ö/Fr 2017; K: Thomas Kiennast; M: Christoph M. Kaiser, Julian Maas; 115 Minuten; deutscher Kino-Start: 12.04.2018); „Ich bin eine unglückliche Frau von 42 und heiße Romy Schneider“, „so“ empfängt die in Frankreich lebende und sich 1981 – zur Entgiftung – im bretonischen Quiberon in einem Kurhotel am Meer aufhaltende deutsche Star-Schauspielerin Romy Schneider (MARIE BÄUMER) „Stern“-Reporter Michael Jürgs (ROBERT GWISDEK) und ihren Freund und Fotografen Robert „Bob“ Lebeck (CHARLY HÜBNER) zu einem Interview. Kurz zuvor ist dort auch ihre Jugendfreundin Hilde Fritsch (BIRGIT MINICHMAYR) als seelische Stütze eingetroffen. Romy Schneider ist zu dieser Zeit eine der besten internationalen Schauspielerinnen, wird aber von der heimatlichen Presse immer noch verunglimpft „wegen Landesverrats“; weil sie es wagte, nach drei super-erfolgreichen „Sissi“-Filmen (1955/1956/1957), der letzte liegt also immerhin schon ein Vierteljahrhundert zurück, keinen vierten zu drehen und weil sie die künstlerische und private „Flucht“ gen Frankreich angetreten hat. Um endlich einem gestandenen deutschen Magazin „richtige“ Antworten zu geben, durfte der forsche und der dann alles andere als sensible Fragesteller Jürgs anreisen.

Zwei Menschen im Verbal-Duell. Mit Worten, die wie Kugeln abgeschossen werden. Auf Augenhöhe. Romy Schneider, wohl wissend, dass dieses Hier-Sich-Öffnen sehr wohl das Herausbrechen vieler Seelen-Schmerzen bedeutet, die erst einmal neu zu verkraften sind; Michael Jürgs, der coole, zynische Interviewer, der keine Nähe für sich zulässt und die Chance zu „einem Magazin-Coup“ mit viel Antwort-„Fleisch“ füllen will. Dabei: der joviale, gutmütige, „seine Romy“ mögende Fotograf Bob Lebeck, der sich in einem Zwiespalt des Schützen-Wollens und „Arbeit-Verrichtens“ befindet. Einigermaßen fassungslos zwischen allen: Freundin Hilde, die mit dieser innerlich völlig zerrissenen Freundin Romy – „Ich muss lernen, mich zu wehren“ – auch mächtig unter eigenen Druck gerät.

Motto: Für Alles, was hier passiert, vor allem verbal, aber auch in den stummen Bewegungen, Reaktionen, ist enorme Kraft erforderlich. Reden, Schweigen, Denken. Sein. Die Konsequenz: Jeder Atemzug tut letztlich weh. Auch wenn er zunächst Fröhlichkeit ausspuckt. Davon erzählt, handelt dieser atemberaubend spannende Menschen-Film. Er ist, eben, tief-spannend, von der ersten Sekunde an faszinierend in seinem atmosphärischen Ambiente, knisternd, mit ganz dichter unbequemer Seelen-Nähe und diesem Freiheits-schreienden Seelen-Zustand einer verzweifelten Frau, die mit sich endlich ins Reine kommen will: „Ich muss Pause machen; ich muss endlich zu mir selbst finden; im Moment bin ich zu kaputt“, wird im „Stern“ vom 23.04.1981 stehen. Der letzte Filmsatz lautet, gesprochen vom Freund Bob: „Du bist die Schönste, und das wird immer so bleiben“.

Stimmt. Dank: MARIE BÄUMER, 48, die Romy Schneider (*23. September 1938 – †29. Mai 1982) auf eine unglaubliche überragende Hauch- und Bewegungsart ein- wie ausatmet. Ohne einen falschen Ton oder läppisch-oberflächliche Impulse. Eine darstellerische Identitätsübernahme von überragender Sensibilität. Eindringlichkeit. Schönheit. Warum diese bescheuerte Berlinale-Jury ihr neulich eine Auszeichnungs-Anerkennung verweigerte, ist mir ein Rätsel. Wer großes, flüssiges, intensives, besessenes Schauspiel-Kino mag, muss hieran seine helle Ansprech- und Unterhaltungsfreude haben. Auch, weil auch die drei weiteren Haupt-Neben-Akteure wunderbar empfindsam mitwirken: der unwiderstehliche wie derzeit – endlich – angesagte CHARLY HÜBNER („Magical Mystery“); der immer noch „mysteriöse“, also bekanntheitsmäßig längst noch nicht sich ausreizende, aber ständig Neugier erweckende ROBERT GWISDEK („Das Wochenende“) sowie die intensive „Romy“-Vertraute BIRGIT MINICHMAYR.

Die seit 2001 in Berlin lebende deutsch-französisch-iranische Autorin und Regisseurin Emily Atef, zuletzt mit ihrem TV-Drama „Macht euch keine Sorgen“ im (guten) Gespräch, hat mit „3 TAGE IN QUIBERON“ einen sehr akribischen und außerordentlich ergreifenden Kammerspiel-Psycho-Thriller geschaffen, den man nur freudig umarmen mag (= 4 1/2 PÖNIs).

 

 

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